Koalition will Hürden für kleinere Parteien deutlich senken
Die Große Koalition will die Zulassungshürden zur anstehenden Bundestagswahl für kleine Parteien nunmehr deutlich absenken. Demnach solle »wegen der Beschränkungen durch die Covid-19-Pandemie die Zahl der für Kreiswahlvorschläge und Landeslisten nach dem Bundeswahlgesetz erforderlichen Unterstützerunterschriften auf ein Viertel abgesenkt werden«, heißt es in einem schriftlichen Vorschlag von Union und SPD, der dem SPIEGEL vorliegt.
Den Vorstoß für eine Änderung des Bundeswahlgesetzes hat die Koalition den anderen Fraktionen bereits übermittelt.
Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag eine Klage der Bayernpartei und der MLPD gegen die Pflicht zur Einreichung von Unterstützungsunterschriften zwar als nicht hinreichend begründet abgelehnt. Die Richter mahnten zugleich jedoch eine Absenkung der bislang notwendigen Zahl von Unterschriften an.
Parteien, die aktuell nicht mit mindestens fünf Abgeordneten im Bundestag oder einem Landtag vertreten sind, müssen nach derzeitigem Stand für eine Zulassung zur Wahl bis zu 2000 Unterschriften von wahlberechtigten Unterstützern pro Landesliste und je 200 pro Direktkandidat einreichen. Die Unterschriften sollen sicherstellen, dass nur »ernsthafte Vorschläge« zur Wahl stehen, die eine »nennenswerte Zahl von Anhängern im Wahlvolk« finden. Die beiden klagenden Parteien argumentierten, dass die Unterschriftensammlungen unter Pandemie-Bedingungen deutlich schwieriger seien und dadurch ihre Chancengleichheit verletzt werde.
Die Grünen, die in einem eigenen Gesetzentwurf eine Absenkung der Unterstützerunterschriften auf 30 Prozent des derzeit geltendes Wertes verlangen, hatten der SPD kürzlich indirekt vorgehalten, eine Absenkung verzögern zu wollen. Der SPD-Innenpolitiker Mahmut Özdemir sagte nun dem SPIEGEL, man habe »den gesetzgeberischen Handlungsbedarf ausführlich geprüft« und werde nun einen Gesetzentwurf vorlegen, der die nötige Unterschriftenzahl absenkt und darüber das Gespräch mit den anderen Fraktionen suchen.
Das Bundesverfassungsgericht, so Özdemir, habe dem Gesetzgeber zuletzt bescheinigt, dass er eine maßvolle Grenze eingezogen habe, aber zugleich betont, dass er diese Begrenzung aufgrund der aktuellen Pandemie überprüfen sollte. »Dabei ist aus unserer Sicht aber auch zu bedenken, dass die Parteien seit Juni letzten Jahres Zeit hatten, Kandidaten und Parteilisten für die Bundestagswahl 2021 aufzustellen und die nötigen Unterschriften zu sammeln. Dies können sie auch weiterhin noch bis Juli tun«, sagte der für das Wahlrecht zuständige SPD-Parlamentarier.
Zuvor hatte bereits der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling, gegenüber dem SPIEGEL einen gemeinsamen Vorschlag der Koalitionsfraktionen angekündigt. Er bestätigte nun auch die geplante Absenkung auf ein Viertel der Unterstützerunterschriften.
Damit zeichnet sich ein breiter Konsens im Parlament ab. Neben den Grünen hatte sich auch die FDP offen für eine Absenkung gezeigt.
Eine Änderung und Verabschiedung des novellierten Wahlgesetzes muss bis Ende Juni – der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause und der Bundestagswahl am 26. September – erfolgen. Die Wahlvorschläge für die Bundestagswahl müssen inklusive Unterstützungsunterschriften bis spätestens 19. Juli um 18 Uhr bei den jeweiligen Kreiswahlleitern (für die Direktkandidaten) oder den Landeswahlleitern (für die Landeslisten) vorliegen.
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren zuletzt bei den Landtagswahlen die Unterschriftenquoren verringert worden, in Berlin wurde kürzlich nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs im Landesparlament die Hürde für die Zulassung zur Abgeordnetenhauswahl am 26. September ebenfalls deutlich gesenkt.