Man kann es sich noch gar nicht recht vorstellen, dass da in ein paar Monaten ein Anderer sitzt. Der darüber spricht, »was das Beste für die Mannschaft« ist, der vom »Team hinter dem Team« redet und von »der tiefsten Überzeugung, dass der Umbruch 2019 absolut richtig« war. Und doch ist es so: Joachim Löw ist auf Abschiedstour, am Donnerstag hat er sie vor der Presse begonnen.
»Ich bin sicher, dass du eine großartige EM spielen wirst«, sagte Keller. Wobei das Spielen dann doch eher die Sache der Goretzkas, Kimmichs und Sanés sein sollte. Die Löw »auf dem Weg zu ihrem Leistungszenit«, sieht, einen Weg, an deren Ziel die Heim-Europameisterschaft 2024 stehen soll. Diese EM, »die ich mir dann aus anderer Perspektive ansehen werde«, solle das Werk krönen, das Löw im Sommer hinterlässt.
Die Entscheidung aufzuhören, habe sich in den vergangenen zwei, drei Wochen bei ihm gefestigt, sagte der Bundestrainer, allerdings dürfte der Grundstock dafür schon früher gelegt worden sein, spätestens nach dem 0:6-Desaster von Sevilla gegen die Spanier im vergangenen November. Auch der Verband rechnete wohl schon mit diesem Schritt und war deswegen gewappnet. »Man war ja nicht tatenlos in der letzten Zeit«, deutet Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff an, dass es schon Vorgespräche gab, dass vorgefühlt wurde in Sachen Nachfolge ab Sommer. Die Nachricht habe ihn daher »nicht wie einen Blitz getroffen«.
Namen als Bundestrainer-Kandidaten gibt es mehrere, seit Tagen werden immer dieselben genannt. Die DFB-Angestellten Stefan Kuntz und Marcus Sorg, der sich selbst eifrig ins Gespräch bringende Ralf Rangnick, der alte Löw-Kumpel Hans-Dieter Flick, und natürlich versuchten die Journalisten, aus Keller und Bierhoff irgendetwas herauszulocken, irgendeinen Zungenschlag, eine Andeutung, aus der man in der Tradition der Kreml-Astrologie eine Präferenz des DFB hätte herauslesen können.
Aber bis auf die Tatsache, dass Bierhoff einmal versehentlich »Marcus Löw« sagte, als er Marcus Sorg meinte, blieben die Schotten dicht: »Ich werde hier keinerlei Kandidaten kommentieren, dazu haben wir genug Experten in Deutschland, die das tun können.« In dieser Hinsicht waren Mehmet Scholl, Olaf Thon, Berti Vogts und wie sie alle heißen, die sich jetzt zu Wort melden, zuletzt tatsächlich nicht untätig.
Keiner aus dem Ausland, keine Frau
Nur dass es wohl ein deutscher Trainer sein wird, der künftig die Geschicke der Mannschaft leitet, daraus machte Bierhoff keinen Hehl. Und bei der Frage, ob denn auch eine Frau möglicherweise in Betracht käme, erklärte Bierhoff zwar: »ich werde nichts ausschließen«, aber sein Grinsen dabei sagte alles. Das kann man ausschließen.
Keller und Bierhoff betonten mehrfach, dass man ja jetzt »alle Zeit der Welt« habe, nach Löws Nachfolger zu suchen, und der Verband scheint tatsächlich gewillt, diese Zeit auch möglichst auszunutzen. So wie auch Löw in Sachen EM-Kader schon wieder auf Zeit spielt. Der »Kicker« hatte gemeldet, die Rückkehr der von Löw 2019 aussortierten Thomas Müller und Mats Hummels zur EM sei so gut wie beschlossen. Das jedoch ließ Löw nicht so stehen. Er habe Müller, Hummels und Jérôme Boateng »die Tür weder auf- noch zugemacht«, betonte der Bundestrainer.
Dabei nutzte er die Gelegenheit, um noch einmal grundsätzlich zu werden: Dass er in der Frage der Rückholaktion von Müller und Co. wechselweise als »Umfaller« oder als »Sturkopf« dargestellt werde, konnte Löw beim besten Willen nicht nachvollziehen: »So gut müsstet ihr mich doch mittlerweile kennen, um zu wissen, dass es für mich keine Rolle spielt, wie ich in der Öffentlichkeit wirke: Ich mache das, wovon ich persönlich überzeugt bin.«
Daraufhin konnte ihm wahrlich niemand in der digitalen Runde widersprechen. Das war schließlich immer der markanteste Charakterzug des Bundestrainers Joachim Löw: Auf öffentliche Beratung hat er gern und dankend verzichtet.