Schon zu Saisonbeginn spitzt sich das ersehnte WM-Duell in der Formel 1 zu: Lewis Hamilton gegen Max Verstappen, Mercedes gegen Red Bull. In den bisherigen vier Rennen ging es einige Male sehr eng zu, abseits der Strecke wird die Stimmung mit gegenseitigen Sticheleien angefacht – und nun kommt noch der Seitenwechsel von einigen wichtigen Mitarbeitern hinzu.
Red Bull ist gerade dabei, für die Zeit nach dem Ausstieg von Motorenpartner Honda am Ende des Jahres eine eigene Motorenabteilung aufzubauen. Und wo sucht man da am besten nach dem geeigneten Personal? Natürlich beim Marktführer der vergangenen Jahre. Und der heißt Mercedes. Sechs Topingenieure, angeführt von Ben Hodgkinson, wechseln bereits sicher den Rennstall. Der Brite arbeitete zwei Jahrzehnte lang bei Mercedes, er war bereits an Bord, als die Firma noch Ilmor gehörte. Seit 2017 war er Head of Mechanical Engineering bei den Silberpfeilen. Nun soll Hodgkinson den großen Rivalen fit für die Zeit im neuen Reglement macht. Red Bull vereint ab 2022 den Bau von Chassis und Motor unter einem Dach.
Es geht nicht nur um die Motoren
Mercedes-Teamchef Toto Wolff und Red-Bull-Motorsportkoordinator Helmut Marko pflegen seit Jahren eine offen kommunizierte Abneigung, die nun wieder intensiver gepflegt wird. Marko betont, man habe niemanden direkt abgeworben, alle hätten sich von selbst auf eine Stellenanzeige hin beworben. Und er sagt: »Ich weiß nur eines, wenn Niki Lauda noch leben würde, wäre uns das nicht gelungen.« Eine klare Spitze gegen Wolff.
Insgesamt werden es wohl um die 15 Mitarbeiter werden, die die knapp 50 Kilometer vom Mercedes-Motorenwerk in Brixworth gen Süden zu Red Bull in Milton Keynes weiterziehen werden, glaubt Wolff. Er betont zudem, dass das trotzdem keine komplette neue Motorenabteilung ausmache – selbst, wenn er die Überlegungen von Red Bull durchaus verstehen könne. Auf der Gegenseite wird dagegen geraunt, Mercedes habe Mitarbeitern, die das Angebot ausschlagen, eine Gehaltsverdopplung angeboten.
Gestritten wird auch über die sogenannten Tracklimits. Bei flachen Randsteinen und asphaltierten Auslaufzonen achtet der Weltverband Fia vermehrt auf sauber ausgeführte Runden, um mögliche Vorteile zu unterbinden, beispielsweise bei Überholmanövern. Verstappen wurden in dieser Saison bereits dreimal bestraft, darin sieht Red Bull eine ungerechte Behandlung und äußert das offensiv. Wolff nannte Marko deshalb »Mr Grumpy« – Herr Schlechtgelaunt – und freute sich über die Unruhe beim Konkurrenten. Derzeit liegt Hamilton nach drei Siegen 14 WM-Punkte vor Verstappen, am Sonntag steht mit dem Großen Preis von Monaco das nächste Rennen an (15 Uhr Liveticker SPIEGEL.de; TV: Sky).
Hamilton vs. Verstappen – kracht es auf der Strecke?
Zwischen den beiden Protagonisten im Auto geht es bisher relativ friedlich zu. Zwar kamen sich Hamilton und Verstappen bereits zweimal in der Startphase eines Grand Prix sehr nahe; einmal, in Imola, büßte der Brite dabei einen kleinen Teil seines Frontflügels ein. Größere Zwischenfälle blieben aus. Aber wie lange noch? McLaren-Boss Zak Brown, in der Rolle des neutralen Beobachters, sagte kürzlich: »Es ist unvermeidlich, dass es zwischen den beiden bald auf der Strecke krachen wird.«
Davon wollen die beiden Fahrer offiziell nichts hören. Doch Hamilton versuchte in Monaco zumindest, aus der Vorlage Kapital zu schlagen. »Bislang konnte ich eine Kollision vermeiden, und ich hoffe, ich schaffe das auch künftig.« Die Duelle seien von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen. »Ich glaube, das spiegelt sich dann auch in meiner Bilanz, in meiner Statistik wider. Ich glaube, Max ist der, der etwas zu beweisen hat.«
Der siebenmalige Weltmeister also als der reife, weise Champion, der dem gut zwölf Jahre jüngeren Herausforderer Ruhe und Übersicht voraushat. Was Verstappen prompt nicht auf sich sitzen lassen wollte. »Ich muss gar nichts beweisen! Beim Verhindern einer Kollision gehören auch immer zwei dazu«, sagte der Niederländer. »Wir sind hart gefahren, aber immer fair.«
Nächster Streitpunkt: Heckflügel
Zumindest neben der Strecke ist der nächste Ärger jedenfalls schon programmiert. Beim vergangenen Grand Prix in Barcelona machte Hamilton mehrfach auf den sich stark verformenden Heckflügel des Red Bull aufmerksam – dieser sei zu flexibel und daher nicht dem Reglement entsprechend. Woraufhin die Fia neue Tests für die Flügel ankündigte, allerdings erst vor dem Frankreich-GP Mitte Juni. Dazwischen liegt noch Baku, eine Strecke, auf der ein flexibler Flügel einen großen Vorteil bringt.
Wolff drohte daraufhin schon mit einem Protest, eventuell zusammen mit den Mercedes-Kundenteams McLaren und Aston Martin. Insgesamt sei die neue technische Direktive sowieso nur eine »halbgare Lösung«, erlaube bei den Flügeln noch zu viel. Die Konsequenz für Mercedes: Man werde seinen Heckflügel ebenfalls modifizieren – »und zwar so, dass er sich stärker als bisher verbiegt«. Ironie oder nicht, bei Red Bull versucht man diesmal, zumindest nach außen gelassen zu bleiben. »Unser Auto hat bis jetzt alle Tests bestanden. Damit erfüllt es auch die Regeln«, sagt Teamchef Christian Horner. »Wenn sich jetzt der Belastungstest ändert, ist das wie eine Regeländerung. Und wir werden darauf reagieren. Das kann allerdings eine halbe Million Dollar kosten.«
Der Zweikampf an der Spitze wird auf allen Ebenen geführt.