Kultur

Eurovision Song Contest: Warten aufs Finale

Nach zwei Qualifizierungsshows stehen die 26 teilnehmenden Länder des großen Finales im Eurovision Song Contest 2021 an diesem Samstag (21.5.2021) in Rotterdam fest. Mit dabei ist die isländische Band “Daði og Gagnamagnið”, die nur per Video am Wettbewerb teilnehmen kann. Die gesamte Combo ging schweren Herzens, wie ihr Management mitteilte, in Quarantäne, weil einer der Musiker positiv auf Corona getestet wurde.

Die sechsköpfige Truppe sieht sich selbst als so eine Art Gegenentwurf zum Pop-Glitzern des Song Contests. Mit ungelenken Tanzschritten und eher monotonem Gesang begeisterte ihr Video das Publikum im Semi-Finale. Die Band saß im Hotel und konnte sich trotzdem zum Favoriten entwickeln.

“Das ist Kunst!”, lacht Dimitri Visch. Er ist DJ in Rotterdam und seit 40 Jahren ein profunder Kenner des ESC-Zirkus. “Die haben eine Botschaft. Ich weiß nur noch nicht welche.” Die Konkurrenz, die Nationen und der Wettbewerb spielten beim Song Contest eine Nebenrolle, meint Dimitri Visch. Alle seien nett zueinander. “Es geht um Freundschaft. Jeder kann so sein, wie er will. Das ist keine Fußball-Meisterschaft, wo es um Sieger geht. Nein, es geht um Kulturen aus ganz Europa. Das ist so cool am ESC.”

Corona-Ausfall auch bei niederländischem Stargast

Der Sieger des ESC von 2019, Duncan Laurence, der mit seinem Erfolg die Austragung des Wettbewerbs in die Niederlande holte, kann wegen einer Erkrankung an COVID-19 nicht wie traditionell üblich bei der Final-Show auftreten. Die Fans in Rotterdam bedauern das natürlich. Auch die niederländische Königin Maxima, die mit einer Gruppe Grundschulkindern eine der Proben besuchte, wünschte Duncan schnelle Genesung.

Die “European Broadcasting Union” (EBU) hält die erste große Kulturveranstaltung in den Niederlanden nach dem Corona-Lockdown trotz rund 20 positiver Corona-Tests in den Delegationen und bei Bühnentechnikern in den letzten zwei Wochen für sicher. “Keine der Infektionen lässt sich auf die Veranstaltungshalle Ahoy-Arena zurückführen”, erklärte die EBU in einer Stellungnahme. Die Künstlerinnen und Künstler und ihre Crews lebten abgeschirmt in ihren Hotels.

“Ich fühle mich sicher”

Bei jeder Show in dieser Woche sind 3500 Zuschauer zugelassen, die alle vor Betreten der Halle getestet werden. Und auch fünf Tage nach den Shows sollen sich die Zuschauer noch einmal testen lassen. Die Ergebnisse werden im Auftrag der niederländischen Regierung ausgewertet, um zu sehen, ob Großveranstaltungen diesen Ausmaßes ohne größeres Risiko wieder möglich sind. “Ich glaube, in jedem Rotterdamer Supermarkt ist das Risiko größer als in der Arena”, meint Peter Jan de Werk. Der ESC-Fan besucht zwei Halbfinale und das Finale am Samstag. In der Halle darf man auf dem Sitzplatz die Maske abnehmen, jubeln, den Nachbarn berühren. “Das war recht seltsam am Anfang. Ich war ein wenig nervös, weil ich ja nicht mehr gewohnt bin, mich so zu verhalten. Distanz ist sozusagen schon das natürliche Verhalten”, sagt Peter-Jan de Werk, der mit fünf Freunden in der Menge mitgefeiert hat. “Da jeder getestet ist, fühle ich mich sicher.”

ESC lässt Energie des Publikums spüren

Die Niederlande vertritt in diesem Jahr der in Suriname geborene Jeangu Macrooy. Nach über einem Jahr ohne Live-Auftritte ist es für ihn sehr emotional, wieder vor realen Menschen aufzutreten und nicht nur in eine Kamera zu singen, sagt er der DW in seinem Hotel. “Ich bin sehr aufgeregt, dort zu stehen und wieder die Energie zu spüren, die vom Publikum ausgeht.”  Viel habe er von den Partys und dem Trubel gehört, der vor Corona mit dem ESC verbunden war, so Macrooy lächelnd. “Wenn ich zu diesen ganzen Partys und Empfängen gehen müsste, wäre ich sicher abgelenkt. Der Vorteil der Hotel-Blase ist, dass wir uns mehr auf die Auftritte konzentrieren und sie so verbessern.”

Mit Soul-Stimme, viel südamerikanischem Rhythmus und einem Song, der von Widerstandskraft und Einstehen für sich selbst handelt, will Jeangu Macrooy überzeugen. “Für mich als queeren Mann war die schwule Community eine Inspiration. Ich finde es ermutigend und bestärkend, in einer Zeit zu leben, in der Menschen nicht länger Angst haben, sie selbst zu sein und sich für ihre Belange einzusetzen.”

Zwölf ESC-Punkte für…

Etwa 180 Millionen Menschen werden vor allem in Europa am Samstag vor dem Fernseher sitzen, schätzt die EBU. Etliche weitere Millionen können die Livestreams des größten Musikwettbewerbs der Welt im Internet verfolgen. In Island wird die Einschaltquote wohl wieder über 90 Prozent liegen. Wortwörtlich das ganze Land zittert mit der Corona-geschwächten Band “Daði og Gagnamagnið” mit. Per Telefon-Voting können die Fans in Europa mit abstimmen. Eine Jury aus den Mitgliedsländern der EBU vergibt die berühmten zwölf Punkte. Nach drei Stunden stehen Gewinnerin oder Gewinner fest.

Die genauen Regeln sind komplex und verändern sich auch jedes Jahr. Aber darauf komme es auch nicht so genau an, meint Eurovision-Experte Dimitri Visch und lacht. “Musik ist Leben. Man kann mit der Familie zuschauen, egal, wer man ist oder wo man lebt. Es ist einfach Spaß.” Favoriten sind in diesem Jahr laut Wettbüros und Fan-Klub-Umfragen neben Island die Soul-Sängerin “Destiny” aus Malta, die italienische Rockband “Maneskin” und die französische Chanson-Sängerin “Barbara Pravi”.

Auch diese Umfrage müsse man nicht überbewerten, meint Dimitri Visch. Sein Favorit sei der deutsche Beitrag von Jendrik Sigwart, der sonst eher als Außenseiter gehandelt wird. Als Gastgeber sind die Niederlande mit Jeangu Macrooy automatisch für das Finale qualifiziert. Auch Jendrik Sigwart ist gesetzt, denn Deutschland gehört – wie Großbritannien, Italien, Spanien und Frankreich – zu den fünf größten Geldgebern der “European Broadcasting Union”, die durch keinen Vorentscheid müssen. Stark vertreten ist in diesem Jahr das Bewerberfeld aus dem östlichen und südöstlichen Europa. Russland, die Ukraine, Serbien, Albanien, Moldawien und Bulgarien stehen im Finale.

“Es wird alles besser”

Wer am Ende gewinnt, ist dem Rotterdamer Fan Peter Jan de Weck und seinen Freunden nicht so wichtig. “Wir müssen diese Energie bewahren”, sagt er glücklich nach dem zweiten Halbfinale vor der Ahoy-Arena. “Wer von den 26 Finalisten wie viele Punkte bekommt, ist doch egal. Wir sind zurück! Darauf kommt es an.” Das Motto des ESC im 65. Jahr hätte mit “open up” nicht besser sein können, nachdem letztes Jahr alles ausgefallen war, findet Peter Jan de Weck. “Wir öffnen unser Leben wieder. Ab jetzt wird alles besser.”

QUELLE

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