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Das Okavango-Delta am Scheideweg

Naturschützer im südlichen Afrika sind seit Monaten in Aufruhr: Im Januar hat das kanadische Ölunternehmen Reconnaissance Energy Africa (ReconAfrica) mit seiner Öl- und Gassuche im Nordosten Namibias begonnen. Mitte April gab das Unternehmen bekannt, dass die ersten Testbohrungen das Vorhandensein „eines funktionierenden Erdölsystems bestätigen“. Was Naturschützer und Wissenschaftler so besorgt: ReconAfrica hat in Namibia und Botswana ein riesiges Gebiet von knapp 35.000 Quadratkilometer Größe lizenziert, das direkt an den Okavango-Fluss grenzt. Der Fluss speist eines der größten Feuchtgebiete Afrikas: das Okavango-Delta. Das Feuchtgebiet, annähernd so groß wie Hessen, liegt mitten in der Kalahari-Wüste und bietet unzähligen, teils bedrohten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Aufgrund seiner herausragenden ökologischen Bedeutung wurde das Okavango-Delta 2014 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.

Die Bohrgebiete von ReconAfrica überschneiden sich außerdem mit dem Kavango-Zambezi-Projekt (KAZA), dem größten länderübergreifenden Naturschutzgebiet der Welt, das 520.000 Quadratkilometer in Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe umfasst. Die Förderbank KfW unterstützt im Auftrag der Bundesregierung das Projekt seit 2012 als Hauptfinanzierer mit gut 35 Millionen Euro. Ziel des riesigen Schutzgebietes ist es unter anderem, die natürlichen Wanderrouten der Elefanten wieder herzustellen, deren Dichte in der Okavango-Region so hoch ist wie nirgendwo sonst in Afrika. Das Projekt soll außerdem den Tourismus fördern, um die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen zu fördern.

Die Ziele von ReconAfrica kontrastieren stark mit diesen Bemühungen: Auf seiner Website zeigt sich das Unternehmen überzeugt, dass im Kavango-Becken, wie Geologen die Region nennen, „Milliarden Barrel Öl“ lagern. Der Geochemiker und ReconAfrica-Mitarbeiter Daniel Jarvie schätzt gar, dass das Becken ungeheure 120 Milliarden Barrel Öl liefern könnte, was es zu einem der größten globalen Ölfunde der letzten Jahrzehnte machen würde. Bei wirtschaftlichem Erfolg erhält ReconAfrica eine Produktionslizenz über 25 Jahre und plant dann, laut einer Investorenpräsentation von 2019, Hunderte von Bohrlöchern.

Nur eine Lizenz zur Erkundung der Ressourcen

„Das größte Problem sind die möglichen Auswirkungen der Öl- und Gasförderung auf die Wasserressourcen“, sagt Surina Esterhuyse, Geohydrologin an der University of the Free State in Südafrika. Namibia ist ein trockenes Land mit nur geringen und unregelmäßigen Regenfällen. Grundwasser liefert den größten Teil des Wassers, ein kleinerer Teil wird Flüssen wie dem Okavango entnommen. Die ersten Testbohrungen fanden in der Nähe des Omatako-Flusses statt, der mit dem Okavango-Fluss verbunden ist. „Grundwasserleiter in trockenen Gebieten können nicht mehr gereinigt werden, wenn sie einmal kontaminiert sind“, betont Esterhuyse. Für die dort lebenden 200.000 Menschen, die auf das Wasser zwingend angewiesen sind, wäre das verheerend. Im Falle einer Verschmutzung von Oberflächenwasser könnte zudem auch das Okavango-Delta betroffen sein.

Neben einer möglichen Wasserverschmutzung befürchten Naturschützer und Wissenschaftler auch einen massiv erhöhten Wasserverbrauch. Das wäre vor allem dann der Fall, wenn Öl und Gas durch hydraulische Frakturierung, kurz Fracking genannt, gefördert würde. Bei der umstrittenen Technik presst man Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in die Bohrlöcher, wodurch das Gestein zerbricht und das im Boden befindliche Erdöl und Erdgas frei werden. Die Umweltbelastung ist beim Fracking höher als bei der konventionellen Ölförderung: Die Fracking-Gemische können, wenn sie nicht fachgerecht entsorgt werden, Grund- und Oberflächenwasser kontaminieren. Außerdem können Erdbeben ausgelöst werden.

QUELLE

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