Gesellschaft

Ein Clan, Kokain und Kriegswaffen

Geknackte Handys haben der Polizei einen Schlag gegen die Organisierte Kriminalität in Berlin ermöglicht. Ein Großaufgebot von 500 Polizisten, unter ihnen Spezialkräfte, durchsuchte am Donnerstag von sechs Uhr morgens an mehr als 20 Objekte in der Hauptstadt, zwei Männer wurden verhaftet. Es geht um kriminelle Geschäfte mit Rauschgift und um den Handel mit Kriegswaffen, genauer gesagt Maschinenpistolen.

Auf die Spur kamen die Ermittler den mutmaßlichen Tätern aufgrund von entschlüsselnden Chats, die aus Kryptohandys stammen. Der Einsatz richtete sich vor allem gegen Mitglieder der berüchtigten Berliner Großfamilie R. Sie sollen an der Spitze eines kriminellen Netzwerks stehen. Die Ermittler reagierten mit dem Einsatz zugleich auf blutige Zusammenstöße zwischen Mitgliedern der arabischstämmigen Clan-Familie und tschetschenischen Kriminellen in der Hauptstadt, bei denen es vor drei Monaten zu schweren Körperverletzungen kam.

Als Hauptverdächtiger wurde der 44 Jahre alte Nasser R. verhaftet. Er soll zusammen mit einem 22 Jahre alten anderen Mitglied der Familie R. und einem ebenfalls 22 Jahre alten Deutschen die Bande geführt haben. Der Deutsche wurde am Donnerstag ebenfalls verhaftet. Gegen die drei Hauptbeschuldigten werden Beschlüsse über einen Vermögensarrest in Höhe von 300.000 Euro vollstreckt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Die Bande soll erhebliche Mengen Rauschgift in einer Halle im brandenburgischen Neu-Hardenberg gelagert haben, die am Donnerstag von der Polizei durchsucht wurde. Von dort soll das Rauschgift in Fässer umgelagert und nach Berlin gebracht worden sein. In der Hauptstadt wurde es dann nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Zwischenhändlern und Kleindealern mit Hilfe von „Kokain-Taxis“ an Kunden verkauft.

Der vorbestrafte Nasser R., der als einflussreicher Krimineller in der Berliner Unterwelt gilt, kam Anfang der achtziger Jahre aus dem Libanon nach Berlin. Trotz schwerer Straftaten wie Betrug, Bestechung und bewaffnetem Diebstahl konnte er wegen fehlender Reisedokumente aus dem Libanon bisher nicht abgeschoben werden, vor einem Jahr soll er die 16. Duldung bekommen haben. Er wird auch verdächtigt, eine Marihuana-Plantage betrieben zu haben.

Spätverkaufsladen im Bezirk Neukölln überfallen

Schwerwiegender ist wohl, dass Nasser R. auch bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und der Großfamilie R. im November beteiligt war. Dabei hatten Tschetschenen zunächst einen Spätverkaufsladen im Bezirk Neukölln überfallen, der zum Imperium der Familie R. gerechnet wird. Sie schlugen unter anderem mit Hämmern auf die Anwesenden ein. Am selben und am nächsten Tag kam es zu Racheaktionen der Familie R. gegen Tschetschenen, unter anderem wurde ein Mann durch einen Messerstich in den Rücken schwer verletzt. Da beide Seiten Unterstützung aus dem gesamten Bundesgebiet herbeigerufen hatten und über Schusswaffen verfügen, befürchtete das Berliner Landeskriminalamt einen eskalierenden Bandenkrieg in der Hauptstadt.

Nasser R. hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft im Zuge der Auseinandersetzungen schwere Körperverletzungen begangen. Er soll brutal auf einen am Boden liegenden Tschetschenen eingeschlagen haben. Er habe das getan, obwohl er wegen früherer Straftaten unter Führungsaufsicht stand und mithilfe einer elektronischen Fußfessel beaufsichtigt wurde. Die Polizei durchsuchte am Donnerstag auch den Neuköllner Spätverkaufsladen.

Neben dem Landeskriminalamt Berlin waren bei dem Einsatz auch Fahnder des Bundeskriminalamts (BKA) beteiligt. Die Behörden hatten den Schlag gemeinsam über längere Zeit vorbereitet. Die Erkenntnisse, die sie dafür erlangt hatten, stammten zu einem entscheidenden Teil aus Kryptohandys, die von Sicherheitsbehörden geknackt werden konnten. Sie gehörten zu dem Messengerdienst Encrochat, wie das Magazin „Spiegel“ berichtete. Der Dienst hatte 60.000 Kunden in mehr als 120 Ländern. Nach Schätzungen der französischen Polizei waren 90 Prozent der Kunden Kriminelle. Der französischen Polizei war es im Frühjahr 2020 gelungen, in den Server einzudringen und Chatdaten mitzulesen. Gemeinsam mit niederländischen Polizeibehörden konnten dann mehr als 20 Millionen Nachrichten aus dem Messengerdienst abgeschöpft werden, über den Kriminelle ihre Geschäfte abwickelten.

QUELLE

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