Gesellschaft

TÜV Rheinland haftet für gesundheitsschädliche Brustimplantate

Der TÜV Rheinland muss Tausenden von Frauen Schadenersatz zahlen, weil sie gesundheitsschädliche Brustimplantate eingesetzt bekommen haben. So entschied es am Donnerstag das Berufungsgericht von Aix-en-Provence, das damit das Urteil eines Gerichts von Toulon vom Januar 2017 bestätigte. Nach diesem Beschluss hatte der TÜV Rheinland schon rund 60 Millionen Euro oder 3000 Euro an jede der etwa 20.000 Klägerinnen überwiesen. Diese Schadenersatzleistung sei für den Großteil der Klägerinnen gerechtfertigt, entschied das Berufungsgericht, aber nicht für 6200 von ihnen. Diese hätten nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass sie die Silikonkissen implantiert bekamen. Die meisten Klägerinnen stammen aus Südamerika.

Die längst aufgelöste südfranzösische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) hatte jahrelang billiges Industriesilikon für die Implantate benutzt; ihr inzwischen verstorbener Gründer Jean-Claude Mas wurde wegen Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt. Der TÜV Rheinland sieht sich als Opfer der Täuschung: Bei den Kontrollen habe die Firma ihre Vorgehensweise regelmäßig verschleiert. Der TÜV sei auch nicht für die Zertifizierung der Produkte zuständig gewesen, sondern nur für die Abläufe im Unternehmen. Das Berufungsgericht von Aix-en-Provence stellte jetzt jedoch fest, dass der TÜV die Herkunft der Rohmaterialien hätte prüfen müssen. Beim Blick auf die Rechnungslegung der Firma hätten ihm Unregelmäßigkeiten auffallen müssen.

Nach zehnjährigen juristischen Auseinandersetzungen könnte nun „der Weg frei sein für die Entschädigung von Opfern in der ganzen Welt“, sagte der Anwalt Olivier Aumaître. Nach Schätzungen haben 40.0000 Frauen die PIP-Brustimplantate eingesetzt bekommen. Bei weiteren Prozessen in Frankreich stehen ebenfalls Entscheidungen an. Mitte Januar hatte ein Berufungsgericht in Versailles den TÜV Rheinland von einer Mitverantwortung freigesprochen. Daher prüft er nun auch die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Berufungsurteil von Aix-en-Provence.

Der Skandal beschäftigt auch die deutsche Justiz. 2017 wies der Bundesgerichtshof (BGH) die Schadenersatzklage einer Frau aus Rheinland-Pfalz ab, weil er keine Pflichtverletzung des TÜV Rheinland erkennen konnte. Der Hersteller habe die Kontrolleure getäuscht. Ganz aus der Haftung kam die Prüforganisation jedoch nicht: In der Revision der AOK Bayern gegen den TÜV verneinte der 7. Zivilsenat zwar eine vertragliche Haftung, dennoch müssten die Prüfer grundsätzlich nach deliktischen Vorschriften dafür haften, wenn sie ihre Kontrollpflichten als Zertifizierungsstelle für die Implantate verletzt haben. Der Fall liegt wieder beim Oberlandesgericht Nürnberg. 2017 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der TÜV als Prüfstelle grundsätzlich nicht dafür zuständig sei, Medizinprodukte zu prüfen. Unter bestimmten Umständen, die von nationalen Gerichten bewertet werden müssen, könne er jedoch zum Schadenersatz verpflichtet werden.

QUELLE

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