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Lithium-Experte erklärt, wie der Rohstoffmangel die Energiewende in Gefahr bringt

Das ist schon mal sehr gut, wenn man die Zellen nicht nur aus China oder aus Amerika importiert, sondern so eine wichtige Zukunftstechnik selbst aushält. Das hält auch die erheblichen Mittelabflüsse für Akkutechnik innerhalb der Union. Aber jetzt kommt das Problem: Wenn wir die Batterie selbst bauen wollen, brauchen wir nicht nur eine Mega-Factory, sondern auch die entsprechenden Rohstoffe.

Also der Schritt in der Kette vor der Produktion. Die ganze Welt will ganz viele Batterien bauen. Sie fürchten also einen Run auf die Rohstoffe?

Diese Rohstoffe, allen voran Lithium, werden nicht in ausreichender Menge verfügbar sein.

Spätestens seit 2010 wird die E-Mobilität propagiert. Es wird auch mehr Lithium hergestellt, aber es gibt schwankende Preise und keinen kontinuierlichen Aufbau.

Ich bin im Jahr 2010 das erste Mal mit Lithium in Kontakt gekommen und habe in Rock Tech Lithium investiert. Im Jahr 2016 fing die zweite Phase an. Damals hat Tesla das Model 3 vorgestellt und die Chinesen haben gesagt, wir bauen jetzt alles in Richtung Elektronik. Spätestens jetzt war klar, dass die Elektromobilität kommt und dass man dafür Batterien braucht. Aber wie Sie richtig sagen, die Nachfrage entwickelt sich bisher nicht kontinuierlich.

Sicher ist jedoch, dass sich die Menge des benötigten Lithiums bis 2030 etwa verzehnfachen wird. Wir benötigen also zehnmal so viel Lithium innerhalb von nur zehn Jahren. Das sind enorme Wachstumsraten von über 35 Prozent. Das gab es noch nie bei einem Rohstoff.

Das ist also ein Zukunftsmarkt, also müsste doch auch investiert werden?

Leider nicht. Die Preise sind zeitweise gesunken, es sind kaum Investitionen erfolgt. Solche Prozesse benötigen einen Vorlauf. Von den sieben Jahren, um Projekte in Produktion zu bringen, haben wir drei Jahre schon verloren.

Lithium baut man nicht so leicht ab.

Aus dem Boden holen sie ein Prozent des Rohstoffs Lithium. Das Material bringen sie erst auf sechs Prozent und verarbeiten es dann auf 99,9 Prozent reines Lithium. Das ist eine hochmoderne Technologie, die mit großen Investitionen verbunden ist. Noch haben sich die Autobauer nicht entschieden, diesen Schritt vor der Batterieproduktion selbst zu gehen. Interessanterweise aber Tesla. Die bauen ein kleines Werk bei der neuen GIGA Factory in Texas auf.

Am Ende wird den Herstellern kaum etwas anderes übrigbleiben.

Wenn Sie eine 35-prozentige Steigerung im Jahr erreichen wollen bei einem Rohstoff, der mehr oder minder nur für diese Technik benutzt wird, können Sie nicht davon ausgehen, diesen Rohstoff einfach so am Markt einkaufen zu können.

Lithium soll aus den Batterien recycelt werden, löst das nicht das Problem?

Mit der Ausweitung der Batteriekapazität muss zunächst weltweit sehr viel mehr Lithium gefördert werden. Perspektivisch wird Lithium dann recycelt. Aber dafür müssen wir erst mal die Batterien bauen, die später recycelt werden. Und das dauert. Zuerst muss das Material abgebaut werden, dann muss ein E-Auto verkauft werden, wenn dann die Batterien zehn und mehr Jahre in Betrieb waren, können sie recycelt werden.

In den nächsten zehn Jahren kann man also kaum mit einem massenhaften Anteil an recyceltem Lithium rechnen?

Richtig. Aber das hat auch Vorteile. Es ist nicht so einfach, das Lithium aus den Batterien wiederzugewinnen, da muss noch einiges passieren. Doch ab 2035 könnten wir knapp 70 Prozent des Bedarfs aus Lithium-Recycling decken. Die Recycling-Technologie ist im Moment noch nicht gut entwickelt genug.

Das Recyclingproblem sehe ich entspannter als den Engpass in den nächsten Jahren. Später wird es viele Minen geben, die weiterhin produzieren können. Wenn es dann Engpässe beim Recycling geben sollte, kann man weiter Material schürfen. Unsere Probleme entstehen in den nächsten fünf bis zehn Jahren, weil es dann noch nicht genug Minen gibt, um dieses massive Wachstum abzudecken.

Nun sind die Länder der EU nicht die einzigen, die Lithium benötigen. Wo soll das herkommen?

Im Hintergrund wird daran gearbeitet, dass wir das chinesische Modell kopieren. Die Chinesen beziehen diese Rohstoffe aus Australien und verarbeiten sie in China, so dominieren sie bei raffinierten Produkten. Aber um mit diesem Modell konkurrieren zu können, muss der Aufbau von Raffinerien in Europa massiv unterstützt werden.

Und dann kauft die EU in Australien ein? Die Spannungen zwischen China und Australien nehmen stark zu.

Das wird aber in den kommenden Jahren nicht möglich sein, weil die Australier den Großteil ihrer Produktion schon Richtung China verkauft haben. Sie binden ihre Partner langfristig und zahlen gute Preise. Der Westen muss jetzt eine konzertierte Aktion starten und versuchen, sich so viel wie möglich vom Rohmaterial aus Australien zu sichern. Gleichzeitig muss man direkt in Projekte investieren, etwa in Kanada, um dort eine Produktion hochzufahren. Nur so wird man die drohende Knappheit beherrschen.

Die deutsche Autoindustrie hat das Problem schon verstanden. Hier macht man sich auch zusehends Sorgen, wie stabil die Lieferkette aus Asien überhaupt ist. Jetzt haben wir den aktuellen Fall mit dem der Chips-Produktion. Einige westeuropäische Autobauer mussten schon Autowerke stilllegen, weil sie nicht genug Chipsätze aus Asien bekommen.

Kann die EU hier überhaupt mithalten mit China und den USA als Konkurrenten?

Die Herausforderung ist nicht die Größe. Die Herausforderung ist die Wahrnehmung, die man innerhalb der EU hat. Europa und auch Deutschland engagieren sich nicht bei Rohstoffen.

Seit Jahrzehnten sagen wir, wenn wir Rohstoffe brauchen, dann gibt es den Weltmarkt und wir kaufen sie ein.

So eine Diskussion gab es schon einmal bei seltenen Erden, das hat sich dann aber wieder verlaufen.

Diesmal ist es noch gravierender, weil wir von einer Kernindustrie Deutschlands und Europas sprechen. Die Konzerne haben verstanden, dass die Engpässe größer sein werden als das, was wir bei seltenen Erden befürchtet hatten. Trotzdem ist der Gedanken, wie wichtig Rohstoffe sind, nicht tief verankert. Die Chinesen dagegen glauben an Rohstoffe. Die haben seit Jahrzehnten gesagt, wir kaufen die Rohstoffe ein und wir bauen die Technologie bei uns. So werden wir Technologieführer weltweit, weil wir die besten Weiterverarbeitungsanlagen haben.

Rohstoffe gelten als überkommen, als schmutzig. Egal ob Kohleminen, Erdölfelder oder auch Lithium. Das lagert man gern aus.

Man muss wieder eine Offenheit haben für modernes Mining und die Technologien dahinter und man muss auch investieren.

Sauberes Mining – geht das überhaupt?

Die Explorations- und die Produktionsmethoden verbessern sich permanent. Wenn Sie das Lithium aus dem Boden holen, dann gibt es einen offenen Bereich, aber es sind nicht so riesige Narben. Früher musste man gewaltige Löcher ausheben, damit man an die Ressourcen herankam. Heute macht man das präziser. Es wird auch immer mehr im Untergrund gearbeitet, weil sie unter Tage so genau arbeiten können, dass sie nur die Ressourcen, die sie benötigen, rausziehen. Lithium ist nur zu einem Prozent im Boden. Das heißt, wir wollen das eine Prozent Lithium rausholen und den ganzen Rest bringen wir wieder ein. Bei 99 Prozent sind wir noch nicht – aber fast.

Das Image des Mining sieht aber anders aus.

Sehr viel Koablt für Batterien kommt aus der Demokratischen Republik Kongo. Es gab da viele Gerüchte rund um Kinderarbeit, das ist für einen Autokonzern sehr schwierig. Ein weiterer Grund, sich zu engagieren. Heute müssen Sie die Nachhaltigkeit belegen können. Wir haben zukünftig eine neue Generation von Autokäufern, die wollen wissen, wo jedes einzelne Bestandteil des Autos herkommt. Sie wollen wissen, wie das Lithium abgebaut wird. Ist das im Einklang mit der Natur? Ist das sozial und im Einvernehmen mit den Gemeinden um das Gebiet? Wird wieder aufgeschüttet und aufgeforstet, sodass man zehn Jahre später nichts mehr von dem Abbau sieht? Das sind alles Kriterien für Nachhaltigkeit und das muss ein Autokonzern selbst überprüfen. Ansonsten wird es schwer, der neuen Generation Autos zu verkaufen.

Was muss geschehen, um die benötigten Batterien herstellen zu können?

Wir benötigen jetzt mehr direkte Investitionen von Batterieproduzenten und von der Autoindustrie selbst, damit wir so schnell wie möglich das notwendige Lithium produzieren können. Ich würde als Autobauer direkt in Minenprojekte investieren. Es geht immer darum, ob genug Kapital zur Verfügung gestellt wird und wenn VW zum Beispiel eine Partnerschaft eingeht, dann sorgt das für viel Außenwirkung, das erleichtert dann automatisch die Finanzierung.

Bei knappen Rohstoffen setzt ein Wettbewerb der Abnehmer ein.

Die Chinesen investieren seit Jahrzehnten massiv im Lithiumbereich, daher ist China im Moment Technologieführer. Ich war vor der Pandemie in China und habe mir dort Lithium-Converter angeschaut. Die Chinesen wissen, wie man so etwas baut, und sind weltweit führend. Das ist nicht so, dass eine Anlage aus dem Westen exportiert wird und dort dann nachgebaut wird. Im Moment haben sie noch Nachholbedarf beim Thema Nachhaltigkeit. Auch die Amerikaner haben Lithium auf ihre Liste der kritischen Metalle genommen. Die EU unterstützt immerhin jetzt den Bau der Batterien. Das ist bereits ein Riesenfortschritt.

Vielleicht folgt dann irgendwann auch eine Sensibilität für den Rohstoff?

Das geschieht zu langsam, weil die Engpässe jetzt schon da sind. Wir müssen das früher machen. Das ist ein Wettlauf um Lithium und wir können in dem Rennen abgehängt werden. Die Amerikaner sind im Moment sehr schnell unterwegs. Sie wollen unbedingt eine strategische Allianz mit Kanada eingehen, weil es Lithium in Kanada gibt. Die USA leiten jetzt konkrete Schritte ein. Wir können noch einiges aufholen. Diese Geschwindigkeit muss aber jetzt kommen, weil Chinesen und Amerikaner sehr aggressiv in diese Märkte reingehen.

QUELLE

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