Wirtschaft

Schlupfloch für Schadstoffe

Die Grünen-Bundestagsfraktion fordert von der Bundesregierung, eine Gesetzeslücke im Kampf gegen Luftverschmutzung zu schließen. Das geht aus einem Antrag der Abgeordneten Bettina Hoffmann, Steffi Lemke und Christian Kühn hervor, über den der Bundestag am Donnerstag abstimmen soll. Laut dem Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, sollen die Regeln zur Müllverbrennung in Zementfabriken verschärft werden.

In deren Öfen werden oft alte Autoreifen, Altöl oder Teile des Hausmülls als Ersatzbrennstoff genutzt. Schadstoffmessungen hätten ergeben, dass dadurch viel mehr Luftschadstoffe ausgestoßen würden als in Zementwerken, in denen durchgehend Kohle als Brennstoff eingesetzt werde, heißt es in dem Grünen-Papier. In einigen Zementwerken werde das Doppelte an gesundheitsschädlichem Kohlenmonoxid emittiert.

Für Zementfabriken gelten weniger strenge Schadstoffbestimmungen als für Müllverbrennungsanlagen. Laut dem Grünen-Papier dürfen manche Werke das Achtfache der gängigen Grenzwerte für Schwefeldioxid ausstoßen, bei Kohlenmonoxid teils gar das Sechzigfache.

Das zuständige Bundesumweltministerium bestätigt, dass es »punktuelle Abweichungen« bei den Schadstoffauflagen gibt. Diese seien »verfahrenstechnisch begründet«. Ein Zementwerk verbrenne nicht nur Brennstoffe, sondern verarbeite auch eine große Menge verschiedener Rohmaterialien. Das beeinflusse die Emissionen.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Müllverbrennung in der Zementindustrie mehr als verdreifacht. Nach Angaben des Verbands der Zementindustrie wurden 2019 insgesamt 3.788.000 Tonnen Abfälle verfeuert; 1999 waren es erst 923.000 Tonnen. Der Anteil von Abfällen am Gesamtbrennstoff lag zuletzt bei knapp 70 Prozent, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen von April 2020 ergibt.

Doppelter Gewinn für Fabriken

In der aktuellen Novelle der Bundesimmissionsschutzverordnung für Industrieanlagen sind keine schärferen Regeln für Zementfabriken vorgesehen. Das Bundesumweltministerium weist darauf hin, dass dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verordnungsentwurfs sei. Auflagen für Zementfabriken seien in einem anderen Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission geregelt.

Die Grünen fordern trotzdem eine Verordnung, die das Problem rasch behebt. Die Technik dafür sei längst verfügbar. Verfahren wie die sogenannte selektive katalytische Reduktion könnten Stickoxidemission von Zementwerken um bis zu 95 Prozent senken, heißt es in dem Antrag an den Bundestag. Auch der Ausstoß von Ammoniak und Gesamtkohlenstoff könne stark gesenkt werden.

»Die Grenzwerte, die zum Schutz unserer Umwelt und Gesundheit für Müllverbrennungsanlagen gelten, müssen auch für die Verbrennung von Abfällen in Zementwerken gelten«, fordert Hoffmann. Das werde kein Zementwerk in den Ruin treiben, denn die Mitverbrennung von Abfall sei ein lukratives Geschäft. Klinkerfabriken sparten dadurch Kosten für fossile Brennstoffe und verdienten obendrein Geld für die Müllentsorgung.

Sollte die Mehrheit der Abgeordneten dem Antrag am Donnerstag zustimmen, müsste die Bundesregierung ihn umsetzen. Die Chancen dafür werden allerdings als gering eingeschätzt.

QUELLE

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