Es wird Pep Guardiola vermutlich sehr egal gewesen ein, aber dieser Moment hätte mehr Glanz verdient gehabt. Nicht nur, dass Manchester City erstmals seit 51 Jahren in einem Endspiel des Europapokals steht, für den Trainer des Teams selbst ging eine Durststrecke vorbei, die ihm womöglich auch wie ein halbes Jahrhundert vorgekommen sein mag.
Glamour war es nicht, was von diesem 2:0-Erfolg über Paris Saint-Germain ausströmte. Ein kalter Abend in Manchester mit Schnee auf dem Rasen in der ersten Halbzeit, ein natürlich nach wie vor leeres Stadion, und durch die am Ende schwer frustrierten Paris-Profis, die dies durch Geholze und Getrete zu kompensieren suchten, kam auch noch ein bisschen Kreisliga-Atmosphäre in diesen Wettbewerb, der sich doch Königsklasse nennt. Und doch das Opernhaus des europäischen Fußballs ist. Im Opernhaus erwartet man eigentlich Grandezza.
Guardiola und City hätten in dieser Fußballoper mehrere Vorhänge und rauschenden Applaus verdient, den Ruf nach Zugabe, so überlegen, so kalkuliert, so eingespielt war das hellblaue Ensemble auch im Rückspiel. City ließ PSG anrennen und stach zweimal gnadenlos mit dem Stilett zu. Schon früh in der Partie zum 1:0, als Torwart Ederson quasi alle Spieler der Partie mit einem langen Ball überspielte. Vor ein paar Jahren war die Packing Rate mal ganz heißer Stoff in der Fußballanalyse, ein statistischer Wert, mit dem gemessen wurde, wie viele Gegner mit einem Ball überspielt werden konnten. Dieser Spielzug zum 1:0, abgeschlossen von Riyad Mahrez, wäre perfekter Anschauungsunterricht dafür gewesen. Mahrez war es auch, der in der zweiten Hälfte traf, wieder nach einem Konter, den man besser nicht lehren konnte.
Champions League schien sein Wettbewerb zu sein
Ein ganzes Jahrzehnt hat Guardiola auf diesen Augenblick warten müssen, er hat die Champions League gleich in seinem ersten Jahr als Cheftrainer gewonnen, 2009 mit dem FC Barcelona, zwei Jahre danach wieder, es schien sein Wettbewerb zu sein, Guardiola, der Tüftler, der jede Spielsituation vorausberechnen kann, so einer muss noch die Champions League in Reihe für sich entscheiden. Davon war man damals überzeugt, und eigentlich ist man es immer noch.
Aber zwischen 2011 und 2021 liegen acht erfolglose Anläufe, in denen man es Guardiola jährlich zugetraut hat zu triumphieren, und in denen er immer scheiterte. 2012 noch einmal mit Barcelona, als ihn der super-defensive FC Chelsea überraschte. Dann, im Anschluss an sein Sabbatjahr, dreifach mit dem FC Bayern, dreimal gegen drei verschiedene spanische Teams, Real, Barcelona, Atlético. Und dann viermal mit City, mit denen er es nie ins Halbfinale schaffte.
Es ist viel darüber geschrieben worden, welchen Anteil der Trainer selbst an diesem Ausscheiden hatte. Mit den Bayern gegen Real hat er anschließend selbst beklagt, er trage die Verantwortung für die krachende 0:4-Rückspielpleite daheim. Im Vorjahr, nachdem City sich mal wieder vorzeitig verabschiedet hatte, gegen Olympique Lyon, einen Gegner, der bei aller Wertschätzung kein Hindernis in der K.-o.-Runde für eine so ausgereifte, teure und akkurat zusammengestellte Mannschaft hätte sein dürfen, fragte auch der SPIEGEL: »Ist er das Problem?«
Er hat der Mannschaft vertraut
Guardiola hat sich viel anhören müssen, zum Beispiel immer wieder den Vorwurf, er habe in diesen Jahren zu viel gewollt. Er habe den Anspruch gehabt, durch sein Coaching die Teams zur Krönung zu bringen, statt die Mannschaft in dem einen oder anderen entscheidenden Spiel einfach machen zu lassen, ihr zu vertrauen. Man hat den Eindruck, genau dies ist jetzt gegen PSG in beiden Partien passiert. Guardiola wird nie einer sein, der einfach loslässt und sagt: Geht’s raus und spielt’s Fußball. Aber seine Mannschaft ist mittlerweile so auf seinen Spielstil geeicht, sie spielt Guardiola-Fußball. Auch ohne, dass der Trainer dies jedes Mal ihr und der Öffentlichkeit beweisen muss.
Guardiola hat am Mittwoch keinen Aufstellungscoup präsentiert, er hat den 36-jährigen Routinier Fernandinho in die Startelf bugsiert, das war ein bisschen überraschend, aber ansonsten hat er denen vertraut, die auch schon das Hinspiel in Paris bestritten und dort den Attacken von Neymar und Mbappé erfolgreich widerstanden haben. Die Elf hat ihm das zurückgezahlt, sie war im Grunde immer Herr der Lage, und provozieren hat sie sich von den PSG-Undiszipliniertheiten auch nicht lassen. Manchester City ist nicht nur auf dem besten Weg, mal wieder englischer Meister zu werden. Diese Mannschaft ist auch der Favorit im Endspiel, egal, gegen wen es geht.
Real Madrid oder der FC Chelsea, zwei Mannschaften, mit denen Guardiola seine Geschichte hat, so wie er mittlerweile mit fast allen großen Teams in Europa seine Geschichte hat. Real Madrid, der ungeliebte, vielleicht gehasste Rivale aus alten Barcelona-Tagen, die Auseinandersetzungen zu seinen Barca-Zeiten mit den von José Mourinho gecoachten Madrilenen waren kriegsähnlich. Mit dem FC Chelsea hat Guardiola in der Premier League jetzt schon so oft die Klinge gekreuzt, die Niederlage in der Champions League von 2012 ist dennoch als schlimme Wunde geblieben. Das Ausscheiden hatte damals mit zu seinem Entschluss beigetragen, sein Barcelona zu verlassen.
Mit dem Halbfinal-Aus gegen Chelsea begann sie, die Durststrecke des Pep Guardiola in der Champions League. Es wäre eine neue Geschichte, wenn sie gegen den FC Chelsea enden würde.