»Mein Wort, das ich gegeben habe, gilt«, sagt Söder. Er und die CSU hätten ein Angebot gemacht, »wir wären bereit gewesen, unserem Land zu dienen, und wir haben für dieses Angebot unglaublich viel Zuspruch bekommen«.
Söder bedankt sich bei den Orts- und Kreisverbänden der CSU, bei den »Jungen und Modernen, die auf Zukunft aus waren«, und vor allem bei den »mutigen Abgeordneten«, die »vorbei an der üblichen Parteisolidarität« gesagt hätten, was sie denken. Der bayerische Regierungschef vergisst auch nicht, sich bei »nahezu allen Ministerpräsidenten für ihre Unterstützung« zu bedanken.
Mit anderen Worten: Er erinnert vor allem noch mal an seine Unterstützer aus der CDU.
Und genau da liegt nun Laschets Problem: Obwohl die K-Frage geklärt ist, werden die tiefen Gräben zwischen CDU und CSU so schnell nicht zuzuschütten sein, die nun wieder aufgerissen wurden. Auch wenn Laschet am Nachmittag die bayerische Schwesterpartei über die Maßen lobt, die Einigkeit der Union beschwört und die enge Zusammenarbeit mit Söder betont.
Noch problematischer sind die Gräben, die innerhalb der CDU entstanden sind. An der Basis, in den Ländern, im Bund: Teile von Laschets eigener Partei hatten sich zuletzt für Söder ausgesprochen – und waren ihrem Vorsitzenden damit in den Rücken gefallen.
Besonders in der Bundestagsfraktion hat der CSU-Chef viele Fans. Dutzende von ihnen drängten bis zuletzt darauf, die Kandidatenfrage notfalls per Votum der Abgeordneten zu klären.
Fehleinschätzung der Söder-Fans
Bis kurz vor der entscheidenden Vorstandssitzung am Montagabend gingen Laschets CDU-Gegner deshalb davon aus, bereits ausreichend Druck auf ihren Vorsitzenden ausgeübt zu haben. Laschet könne nur noch hinwerfen, Söder in einem gesichtswahrenden Akt die Kandidatur übergeben, das war das Kalkül.
Doch es kam anders.
Nun ist der Frust gewaltig in Teilen des CDU-Söder-Lagers. Von ersten Parteiaustritten ist am Dienstagmorgen die Rede, Laschet habe sich über den Willen der Basis hinweggesetzt und seine Kandidatur einfach durchgedrückt, heißt es.
Allerdings ruft mancher prominente Söder-Unterstützer aus der CDU wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auch schon dazu auf, nun Laschet zu unterstützen.
In der CSU herrscht nach der Entscheidung eine Mischung aus Entsetzen und Sprachlosigkeit. Bayerns Finanzminister Albert Füracker, der im Falle von Söders Wechsel nach Berlin einer der Aspiranten auf seine Nachfolge an der Spitze des Freistaats gewesen wäre, hält die Entscheidung der CDU-Spitze für ein Votum gegen die eigene Parteibasis: »Fünf Monate vor der Bundestagswahl« sei das »sehr bemerkenswert«.
Empörte Reaktionen aus der CSU
Silke Launert, Bundestagsabgeordnete aus Bayreuth und Mitglied im CSU-Vorstand, zeigt sich empört: »Dass unsere Schwesterpartei offenbar lieber in die Opposition geht, statt einem Bayern den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur zu lassen«, macht sie fassungslos. »Wer das Votum der Basis ignoriert, um an einer eigenen Kanzlerkandidatur festzuhalten«, der verhalte sich »undemokratisch«, findet Launert.
Was sie von der Basis hört, klingt nicht gut für den gemeinsamen Kanzlerkandidaten Laschet: Etliche Mails von Mitgliedern ihres Wahlkreises seien eingegangen, von einem »Angriff auf die Basis« spricht da einer, von »Demotivation« und »Überheblichkeit der CDU« ist die Rede. Verschiedene CSU-Ortsvorsitzende, berichtet Launert, hätten ihr gegenüber angekündigt, für Laschet keinen Wahlkampf zu machen.
Aber auch in der CSU blickt mancher schon nach vorn: »Gemeinsam und geschlossen werden wir die Menschen überzeugen, dass CDU und CSU die besten Zukunftsideen haben«, sagt Manfred Weber. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament musste nach der Europawahl selbst eine herbe Schlappe verarbeiten, als nicht er, sondern Ursula von der Leyen (CDU) EU-Kommissionspräsidentin wurde.
Armin Laschet will jetzt kraftvoll als Unions-Kanzlerkandidat vorangehen und »in den Wahlkampfmodus schalten«, wie es aus der CDU heißt, die Parteizentrale sei gut aufgestellt. Letzteres mag sein, tatsächlich hat Generalsekretär Paul Ziemiak in den vergangenen Wochen schon einiges im Konrad-Adenauer-Haus auf den Weg gebracht, zudem hat er ein enges Verhältnis zu CSU-Amtskollege Blume aufgebaut.
Aber wo soll Laschets Kraft nur herkommen?
Das entscheidende Votum aus der Nacht hat er mehr oder weniger aus dem Bundesvorstand herausgepresst – andernfalls, das dürfte den meisten klar gewesen sein, hätte sich die Partei nämlich schon wieder einen neuen Vorsitzenden suchen können.
Und trotzdem gab es in den sechseinhalb Stunden bis zum finalen Votum so viele, die ihm – virtuell – ins Gesicht sagten, dass sie CSU-Chef Söder als Kanzlerkandidaten bevorzugen, ein Teil von ihnen war gar nicht stimmberechtigt: dennoch votierten am Ende neun Bundesvorstandsmitglieder gegen ihn.
Dass Laschet das ihm gegenüber ausgesprochene Misstrauen am Dienstag als Ausdruck besonderer Transparenz lobt, ist deshalb eine interessante Umdeutung.
Vor allem seine mangelnde Popularität wurde ihm auch aus den eigenen Reihen vorgeworfen. Die Umfragewerte Laschets sind tatsächlich unterirdisch – im Gegensatz zu denen Söders, allerlei Modellrechnungen wurden deshalb in den vergangenen Tagen mit Blick auf die Bundestagswahl aufgemacht.
Dann sind da auch noch die starken Grünen, die eben in aller Geräuschlosigkeit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin nominiert haben. Und auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sollte man nicht unterschätzen, glaubt mancher in der Union.
Man wolle jetzt »die Basis mitnehmen«, heißt es aus dem Adenauer-Haus, Laschet will in den kommenden Wochen so viel wie möglich mit ihr sprechen und um Vertrauen werben. Aber das wird nicht reichen, um ein erfolgreicher Kanzlerkandidat zu sein. Dazu braucht Laschet einen kolossalen Imageschub in der Bevölkerung, er muss die Stimmung drehen.
»Armin Laschet steht für Vertrauen, Erfahrung und die Idee von einem Modernisierungsjahrzehnt«, heißt es aus der CDU. Mag sein, aber bevor die Bürgerinnen und Bürger das merken, könnte ihm die Zeit davonlaufen – zumal Laschet nebenher als NRW-Ministerpräsident noch das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland durch die Pandemie bringen muss.
Das muss Markus Söder in Bayern auch. Aber er hat nun Zeit, sich darauf zu konzentrieren.
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