Wie viele Städte, wie viele Teams – warum überhaupt?
Es ist ein wichtiger Tag für den europäischen Fußball, dieser scheinbar schnöde Montag, der 19. April. Das Exekutivkomitee der Uefa will auf seiner heutigen Sitzung nicht nur die hoch umstrittene Neustrukturierung der Champions League auf den Weg bringen, die sie selbst als Reform bezeichnet und die durch die Super-League-Pläne vom Sonntag besondere Brisanz bekommen. Zudem fällt heute die endgültige Entscheidung, wie die Fußball-EM aussehen soll, welche Städte tatsächlich mit Publikum im Stadion die Partien ausrichten und auf welche Ausrichter die Uefa eventuell verzichtet. Ein Beschluss, der aus deutscher Sicht einige Brisanz beinhaltet. München ist einer der Wackelkandidaten.
Hier gibt es die Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die EM.
Verzichtet die Uefa auf die EM-Stadt München?
Das ist durchaus möglich. München hat bisher keine definitiven Garantien geben können, dass Zuschauer zu den vier in der bayerischen Landeshauptstadt angesetzten Spielen zugelassen werden können – angesichts der Coronapolitik der Bundesregierung wäre dies auch nicht denkbar gewesen. Uefa-Boss Aleksander Čeferin beharrt aber darauf, dass es keine Geisterspiele bei der EM geben soll.
Die Stadt München hat zwar eine Zuschauer-Absichtserklärung an die Uefa in Arbeit, aber die könnte der Uefa nicht reichen. Auch die bayerische Landesregierung hat sich bislang auffallend wenig zugunsten von München aus dem Fenster gelehnt, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will offensichtlich den Eindruck vermeiden, dass er bereit sei, für seine Landeshauptstadt den harten Coronakurs aufzuweichen. Insofern ist die Frage, ob München EM-Standort wird, auch ein Politikum geworden. Das Bundesinnenministerium hat noch am Sonntag bekräftigt, dass auch der Bund keine Garantie für Zuschauer in München geben könne.
Deutschland ist im europäischen Fußball über viele Jahre ein einflussreicher Faktor gewesen, zudem Ausrichter der kommenden EM, aber darauf sollte sich der DFB und München nicht verlassen. Das Gewicht des deutschen Verbandes hat durch die Querelen und die personellen Fluktuationen an der Spitze zuletzt deutlich gelitten, der DFB-Vize Rainer Koch als deutscher Vertreter ist zwar international gut vernetzt, aber gehört dem Exekutivkomitee erst seit dem Vorjahr an. Die Uefa hat zuletzt gemerkt, dass es auch ohne Deutschland an vorderster Stelle geht.
Welche Städte sind ansonsten gefährdet?
Neun Ausrichterstädte haben der Uefa bereits signalisiert, dass sie mit Publikum im Stadion planen. Sie sind entsprechend vom europäischen Verband bereits als EM-Städte bestätigt worden. Dabei handelt es sich um Amsterdam, London, Rom, Budapest, Bukarest, Glasgow, Kopenhagen, Sankt Petersburg und Baku. Die Hauptstadt des wegen Menschenrechtsfragen stark kritisierten Aserbaidschan als Ausrichter – dafür ist die Uefa schon scharf kritisiert worden, aber das hat den Verband nicht groß bekümmert.
So sind es neben München noch Dublin und Bilbao, die bisher als mögliche Ausfallstädte gelten. Die spanische Regierung erwägt eine Verlegung der Spiele von Bilbao nach Sevilla, da die baskische Regionalregierung bisher jegliche Forderungen nach Publikum im Stadion abgelehnt hat. Auch Irland ist bisher nicht bereit, der Uefa entgegenzukommen. Ein Verzicht auf Bilbao und Dublin gilt als wahrscheinlich, die Spiele würden dann anderweitig verteilt. Sevilla ist die erste Option für die Bilbao-Partien. Für den Standort Dublin sind Newcastle oder Manchester als Ersatz im Gespräch. Ein deutscher Ersatzort für München ist vom DFB nicht ernsthaft erwogen worden – auch weil das von den Umständen nichts geändert hätte. Die Lage in Berlin, Hamburg oder Dortmund ist schließlich ähnlich wie in München.
Kann die EM noch abgesagt werden?
Wohl kaum. Die Uefa ist von Anfang an wild entschlossen gewesen, das Turnier mit seinen 24 Teilnehmernationen durchzuführen und es nicht noch ein zweites Mal abzusagen. So wird die EM, die offiziell nach wie vor Fußballeuropameisterschaft 2020 heißt, auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stattfinden. Die Fernseh- und Sponsorenverträge sind gemacht, die Uefa will nicht riskieren, das Geld dafür noch aufs Spiel zu setzen.
Das Kalkül Čeferins, mit der klaren Ansage, Publikum als Bedingung zu machen, scheint aufzugehen. Als der europäische Verbandsboss damit Anfang März an die Öffentlichkeit ging, gab es viele, die mit dem Kopf geschüttelt haben. Aber die Städte haben im Sinne Čeferins reagiert und sind unter dem Druck dieser Vorgabe auf Uefa-Kurs eingeschwenkt. Ob das dann Folgen für das Infektionsgeschehen in Europa hat, wie nicht nur der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach befürchtet? Dieses Risiko dagegen nimmt die Uefa in Kauf.