Im vergangenen Sommer war das Offensivduo gemeinsam zu Chelsea gewechselt. Werner kostete 64 Millionen Euro Ablöse, Havertz war sogar noch etwas teurer, der Sockelbetrag von 81 Millionen Euro kann sich noch auf eine dreistellige Millionensumme steigern. Dementsprechend groß waren die Erwartungen bei den Blues, doch unter Trainer Frank Lampard konnte die deutsche Achse nicht wie erhofft auftrumpfen. Rüdiger pendelte zwischen Bank und Tribüne, Werner kämpfte mit Schwächen im Abschluss und Havertz wurde nach solidem Start von einer Coronainfektion im November zurückgeworfen.
Es lag aber auch daran, dass Lampard für Havertz nicht die richtige Rolle fand – und Havertz selbst sich an die Spielweise in der Premier League und die Erwartungshaltung bei Chelsea gewöhnen musste. Das scheint nun unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel besser zu klappen. Der Ende Januar für den erfolglosen Lampard verpflichtete Tuchel lässt Chelsea in einem 3-4-2-1 spielen, das auf den ersten Blick auf defensive Stabilität ausgerichtet ist. Die Blues haben in 14 Spielen unter Tuchel erst zwei Gegentore hinnehmen müssen. Doch auch offensiv hat sich Chelsea verbessert. Und Havertz ist wie geschaffen für die Besetzung der drei zentralen Offensivpositionen in Tuchels System.
Havertz braucht Freiräume. Sein Potenzial geht verloren, wenn er als Flügelspieler das Spiel breit halten muss. Oder wenn er als falsche Neun aufgeboten wird. Oder wenn er nur aus der Tiefe kommen darf. Havertz kann das alles in unvergleichlicher Weise vereinen. Hinzu kommt seine eigene Torgefahr und die Fähigkeit, Räume für seine Mitspieler zu schaffen. Das weiß auch Löw, der Havertz gegen Island eine vergleichbare Rolle zuwies.
Müller oder Havertz?
In dieser Form ist Havertz ein sicherer Kandidat für den EM-Kader, den Löw im Mai benennen muss. Dann wird der Bundestrainer die Entscheidung fällen müssen, ob Mats Hummels oder Thomas Müller zurückkehren oder eben nicht. Löw wird in nahezu jeder Presserunde, in fast jedem TV-Interview nach den beiden Routiniers gefragt. Er umschifft das Thema wortgewaltig, ohne die Namen der Spieler zu nennen und ohne wirklich etwas dazu zu sagen.
Havertz (zwölf Torbeteiligungen bei Chelsea) wäre unmittelbar von Müllers Nominierung betroffen. Bleibt Löw seinem 4-3-3 treu, kommt für den Münchner nur der Platz von Havertz infrage. Nominell auf rechts, mit einem hoch stehenden Außenverteidiger neben sich, selbst in die Mitte und vor allem in den Sechzehner ziehend – diese Rolle klingt auch für Müller mit seinen 31 Torbeteiligungen in dieser Saison wie gemalt.
Eigentlich kann Löw seine Entscheidung nicht von den Leistungen und Ergebnissen in den drei WM-Qualifikationsspielen abhängig machen. Dafür war Island und werden Rumänien (am Sonntag) und Nordmazedonien (am Mittwoch) zu schwach sein. Bei der EM heißen die Vorrundengegner Frankreich und Portugal.
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