Der geborgte Trainer soll den Niedergang stoppen
Das Bild, das Hannes Wolf nutzte, wirkt stimmig. »Eine ganze Saison gleicht einem Marathon, jetzt ist es noch ein 800-Meter-Lauf«, sagte der neue Trainer von Bayer Leverkusen, als er am Dienstag vorgestellt wurde. Noch sind in der Bundesliga acht Spiele für jede Mannschaft zu bestreiten, klassische Mittelstrecke. Allerdings stimmt das Bild nur bezüglich der Distanzen, nicht auf die Strategie bezogen. Anders als in der Leichtathletik wird Wolf nicht taktieren und auf den Schlussspurt hoffen können.
Das geht schon deshalb nicht, weil er in der ersten Partie nach der Länderspielpause mit den Leverkusenern auf den FC Schalke 04 trifft. Gegen den Tabellenletzten wird von jedem ein Sieg erwartet, erst recht von einer Mannschaft, die etwa bei Kilometer 14 des Marathons noch Tabellenführer war.
»Vor zwei Wochen«, so Sportdirektor Rudi Völler, »hatten wir noch berechtigte Hoffnungen auf die Champions League«. Nun sei er froh, »trotz der ganzen Niederlagen noch auf dem sechsten Platz zu stehen«. Der würde am Ende der Saison in einen internationalen Wettbewerb führen, und damit ist auch schon der Auftrag umschrieben, den Hannes Wolf zusammen mit seinem Assistenztrainer Peter Hermann erhielt.
Das neue Duo: 69 und 39 Jahre alt
Vereine, die nach gut drei Vierteln der Saison ihre Ziele gefährdet sehen, haben in der Geschichte der Bundesliga schon zigfach den Trainer ausgewechselt. Aber das Leverkusener Modell des Frühlings 2021 ist außergewöhnlich.
Wolf, 39 Jahre alt, und Hermann, 69, schon als Spieler bei Bayer Leverkusen aktiv und etliche Jahre dort auch im Trainerstab vertreten, sind vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) ausgeliehen worden. Wolf, Trainer der U-18-Nationalmannschaft, war zunächst dafür vorgesehen, mit der U21 zur Vorrunde der Europameisterschaft nach Ungarn zu fliegen. Die Delegation wurde aber wegen der Pandemie verkleinert.
Daher hätte Wolf »vor drei Tagen noch gesagt, dass ich heute vielleicht in einem Trainermeeting des DFB stecke«, nun wurde er aber am Dienstag Interimstrainer eines Bundesligisten mit der Aussicht auf eine Dauerlösung. »Das will ich nicht ausschließen«, sagte Völler, der noch vor ein paar Wochen ausgeschlossen hatte, sich von Peter Bosz zu trennen. »Die Treueschwüre waren auch ehrlich gemeint. Aber jetzt war das Vertrauen bei uns allen einfach nicht mehr da.«
Wie zuvor bei Borussia Dortmund vor drei Jahren rauschte Bosz rasant ab, und niemand wusste, wie der Fall zu stoppen ist. Es sei schwierig, dafür eine Erklärung zu finden. »Ballbesitz, Ballbesitz, Ballbesitz. Dann ein Rückstand und keine Lösungen gefunden«, benannte Völler das »immer gleiche Muster«, mit dem der Niedergang in den vergangenen Wochen fortschritt. Niederlagen gegen die Abstiegskandidaten Arminia Bielefeld und Hertha BSC sorgten für die Trennung von Bosz.
Wolf hat schon Rettererfahrung
Zu Hilfe eilt Hannes Wolf, der das in seiner jungen Trainerkarriere schon dreimal zuvor getan hatte. Beim VfB Stuttgart erledigte er den Auftrag und stieg in die Bundesliga auf, um in der folgenden Saison nach 20 Spielen freigestellt zu werden. Beim Hamburger SV ging es auch in Richtung Aufstieg, aber in der Rückrunde der Saison 2018/19 gab es einen Absturz Boszschen Ausmaßes.
Beim KRC Genk gelang ihm ebenfalls ein guter Start, doch dann wurde die Saison wegen der Pandemie abgebrochen. In der neuen Spielzeit lief vieles schief, kurz nach der Entlassung beim belgischen Klub landete Wolf im Oktober 2020 beim DFB.
Vor ein paar Tagen berichtete Wolf bei einem Workshop des Verbandes voller Enthusiasmus über seinen Job beim Verband. Das »Projekt Zukunft« des DFB, das eher einer doppelten bis dreifachen Marathonstrecke entspricht, begeisterte ihn. Mit dem Projekt will der DFB wieder mehr und bessere Talente fördern, auch unter Trainern.
Der freundliche Junge aus dem Ruhrpott
Wolf galt vor ein paar Jahren selbst als eine der großen deutschen Trainerhoffnungen. Das lag ein bisschen auch an seiner Geschichte, die mit dem Namen Jürgen Klopp verbunden ist. Bei einer Wahl zu Dortmunds Sportler des Jahres lernte er nicht nur seine heutige Frau, sondern auch den damaligen Trainer von Borussia Dortmund kennen.
Klopp holte ihn zum BVB, nachdem Wolf zuvor einen Dortmunder Stadtteilklub als Spielertrainer zu mehreren Aufstiegen hintereinander geführt hatte. Fußball, der auf Aktivität beruhte, auf Pressing und Gegenpressing, damit machte er sich einen Namen. Die nötigen Tore schoss er häufig selbst. Wolf spielte mal in der zweiten Liga für den 1. FC Nürnberg, musste seine Profikarriere aber wegen ständiger Kniebeschwerden beenden.