Gesellschaft

Undercover in einer mutmaßlichen Mafiazelle

Sowohl der Innen- als auch der Justizausschuss des Landtags in Erfurt haben sich in dieser Woche mit Ermittlungen gegen mutmaßliche Mafiamitglieder in Thüringen befasst. Unter anderem ging es dabei um den Einsatz verdeckter Ermittler vor etwa 20 Jahren und die Frage, weshalb das umfangreiche Verfahren damals abrupt eingestellt wurde. Der MDR und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hatten von Kompetenzgerangel und Behördenstreitigkeiten berichtet. Ein ranghoher Ermittler sagte rückblickend: „Es gab damals keinen sachlichen Grund, das Verfahren einzustellen.“

In der nichtöffentlichen Sitzung des Justizausschusses am Freitag wurden die Parlamentarier nach F.A.Z.-Informationen darüber unterrichtet, dass damals das Bundeskriminalamt den Einsatz von insgesamt fünf verdeckten Ermittlern beantragt und auch die richterliche Genehmigung dafür erhalten habe. Mindestens einem der Polizisten gelang es demnach, sich über Monate das Vertrauen der mutmaßlichen ’ndrangheta-Mitglieder in Erfurt zu erarbeiten – sie luden ihn sogar mehrfach zu gemeinsamen Reisen nach Kalabrien ein.

Für solch einen Auslandseinsatz hätte ein Rechtshilfeersuchen an die italienischen Behörden gestellt werden müssen, sagte nach Angaben von Sitzungsteilnehmern nun der Leiter der Staatsanwaltschaft Gera, Steffen Flieger, der damals das Verfahren geführt hatte. Dadurch wäre der Kreis der Personen, die von dem riskanten Einsatz des verdeckten Ermittlers erfahren hätten, deutlich vergrößert worden. Außerdem hätte sich der Polizist verdächtig gemacht, wenn er die wiederholten Einladungen der mutmaßlichen Mafiamitglieder immer wieder ausgeschlagen hätte. Die beteiligten Behörden hätten deshalb gemeinsam beschlossen, den Einsatz abzubrechen. Streit darüber habe es nicht gegeben. An Details des Verfahrens konnte oder wollte sich der Oberstaatsanwalt nach Angaben von Ausschussmitgliedern nicht erinnern. Alle Akten, die den Einsatz der verdeckten Ermittler beträfen, hieß es zudem, seien längst vernichtet. Deshalb sei auch gar nicht klar, ob tatsächlich fünf Polizisten undercover in Erfurt aktiv gewesen seien.

Das Verfahren unter dem Namen „Operation Fido“ war von Oktober 2000 an von der Staatsanwaltschaft Gera, dem Bundeskriminalamt und dem Thüringer Landeskriminalamt unter großer Geheimhaltung geführt worden. Es richtete sich gegen mehrere Beschuldigte in Erfurt, die verdächtigt wurden, Geldwäsche im Auftrag der kalabrischen Mafia zu betreiben. Zu einer Anklage allerdings kam es nie. Nach etwa zwei Jahren wurden nach Informationen von MDR und F.A.S. alle operativen Maßnahmen beendet. Offiziell wurde das Verfahren dann 2006 eingestellt – mangels hinreichenden Tatverdachts.

„Es besteht weiterer Aufklärungsbedarf“, sagte nach den Ausschusssitzungen die justizpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothea Marx, der F.A.Z. „Dafür kommt auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Betracht.“

Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Steffen Dittes, kritisierte, dass das Thüringer Justizministerium auch zwei Wochen nach der Berichterstattung von MDR und F.A.S. noch nicht in der Lage gewesen sei, sich auf der Grundlage der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Gera selbst ein Bild von dem Verfahren damals zu machen. Die Unterlagen liegen noch vor, da wegen des NSU-Untersuchungsausschusses in Thüringen die fristgemäße Vernichtung von Ermittlungsakten ausgesetzt worden war.

QUELLE

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