Wie schnell kommen Extradosen gegen die Varianten?
Brauchen die Covid-19-Impfstoffe wegen der Sars-CoV-2-Varianten eine dritte Impfdosis – eine Auffrischung? Noch sei die Lage etwas unübersichtlich, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin Anfang der Woche, als es im Gespräch mit ihm und dem Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, um einen möglichen Impfstoff-Wechsel ging. „Wir haben momentan keinen Druck, den Impfstoff zu wechseln, wir haben mit B.1.1.7 auch kein immunologisches Problem“, sagte Sahin.
Doch da war bereits klar, was das Mainzer Unternehmen am Mittwoch ankündigte: Der Impfstoffhersteller arbeitet bereits intensiv an möglichen Auffrischungsimpfungen. Bis zu 144 Teilnehmer der Phase-1-Impfstoffstudie, die vor mehr als einem halben und teilweise schon vor einem Jahr eine Injektion des inzwischen zugelassenen Biontech-Impfstoffs erhalten hatten, sollen für den Auffrischungstest eine zusätzliche Impfdosis von 30 Mikrogramm des zugelassenen Impfstoffs erhalten. Man wolle vorbereitet sein, heißt es in der Mitteilung der Firma.
Noch geht es also keineswegs um einen Wechsel des Impfstoffs. Vielmehr sollen im ersten Schritt erst einmal vorsichtig die Sicherheit und die Wirkung einer zusätzlichen dritten Impfdosis und die Reaktion der mit jeweils ganz unterschiedlichen Antikörpermengen ausgestatteten Probanden geprüft werden. An der Studie nehmen Freiwillige zwischen 18 und 55 Jahre und auch ältere Menschen zwischen 65 und 85 Jahren teil.
Notwendig werden könnte eine Auffrischung mit einem zusätzlichen Impfstoff-Booster, wenn die kursierenden Virusvarianten mit sogenannten Immun-Fluchtmutationen ausgestattet sind. Diese ermöglichen es den Varianten, den Antikörpern und Immunzellen aus der ersten Impfkampagne zu entkommen. B.1.1.7, die „britische“ Variante, gehört nicht dazu.
Anders die „südafrikanische“ Variante B.1351, die bei Beobachtungsstudien gezeigt hat, dass alle derzeit zugelassenen Impfungen zumindest bis zu einem gewissen Grad an Wirkung verlieren. Diese Variante breitet sich zwar längst nicht so schnell aus wie B.1.1.7. Sie ist aber auch nicht die einzige Immuns-„Escape“-Variante, die in den vergangenen Monaten entdeckt wurde. Zuletzt war in Kalifornien eine neue Variante beschrieben worden, die die Immunantwort beeinträchtigen könnte.
Die Auffrischungsimpfstoffe würden nicht wie eine Neuzulassung behandelt werden. Allerdings müssen sich die EU-Länder noch über entsprechende Gesetzesänderungen für die Wechsel-Zulassung bei der Europäischen Zulassungsstelle EMA einigen. Angestrebt wird, dass innerhalb von drei Monaten die Entwicklung des Impfstoffs auf die fragliche neue Variante angepasst und die Herstellung anlaufen kann. Parallel zur Umstellung des Herstellers sollten die Umstellungsunterlagen bei den Genehmigungsbehörden geprüft werden.
Verlangt werden wird nach dem Dafürhalten Cichuteks definitiv keine großen Studien mit Zehntausenden Probanden, wie das in den Zulassungsstudien ganz neuer Vakzine und Arzneien verlangt wird. Auch Tierstudien seien bei einem leicht abgewandelten Impfstoff nicht nötig. Vielmehr gehe es darum, so Cichutek, in „limitierten Studien mit begrenzten Probandenzahlen“ zuverlässig nachzuweisen, dass der abgewandelte Impfstoff eine neutralisierende Wirkung gegen die neue Virusvariante besitze und möglichst auch gegen die Ursprungsviren noch genügend effektiv sei.