Alexander Zverev hat dieser Tage ein großes Thema, es geht ihm um: Anerkennung. Der Deutsche hat das im Laufe der Australian Open selbst angesprochen, bereits nach seinem Sieg in der dritten Runde hatte er sich darüber beklagt, dass ihm diese fehle: »In letzter Zeit und auch hier wieder bei den Australian Open werde ich nicht als Favorit gesehen«, sagte er in einem TV-Interview. Die Experten würden andere Spieler vorne sehen, obwohl er, Zverev, fände, dass er besser sei als seine Kontrahenten. Er nehme das persönlich und wolle die Leute eines Besseren belehren. »Mal schauen, wie weit ich kommen kann.«
Zwei Spiele mehr wurden es, am Dienstag verlor der 23-Jährige sein Viertelfinalmatch gegen Novak Djokovic 7:6, 2:6, 4:6 und 6:7. Das Turnier ist für Zverev vorbei, die bisher vielleicht beste Chance seiner Karriere auf einen Grand-Slam-Titel vertan. Sein Kontrahent hatte zwar viele warme Worte für ihn. »Wir haben uns gegenseitig ans Limit gebracht, wenn er gewonnen hätte, wäre es nicht unverdient gewesen«, sagte Djokovic nach dem Match. Die Suche nach der fehlenden Anerkennung wird dennoch weitergehen.
Zverev steht an einem entscheidenden Punkt seiner Karriere. Er geht nicht mehr als »Next-Gen«-Profi durch. Spieler wie der 19 Jahre alte Italiener Jannik Sinner oder Félix Auger-Aliassime, 20, aus Kanada entspringen dieser neuen Generation. Zverev ist erfahrener, auch beständiger. Relativ problemlos ist er in Melbourne wieder in die entscheidende Phase eines Grand Slams vorgedrungen. Was ihm bei den großen Turnieren fehlt, sind – neben Titeln – Erfolge gegen die Top-Ten-Spieler. 0:9, so lautet Zverevs Bilanz bei den Majors gegen Rafael Nadal, Roger Federer, Djokovic und Co. Im vergangenen Jahr verlor er in Australien im Halbfinale gegen Dominic Thiem. »Ich bin nicht weit entfernt«, sagte er dieses Mal sichtlich niedergeschlagen. »Aber es ist eben Novak.«
Was Zverev fehlt, um einen Djokovic auf solcher Bühne mal aufs Kreuz zu legen, ist auch die mentale Stärke. Der Serbe sprach hinterher von einem »mind game«, einem Psychospiel, mit »vielen Nerven, viel Druck«.
Zverev war gut gestartet und gewann Satz eins, nach Satzausgleich durch den achtmaligen Australian-Open-Gewinner führte der Deutsche im dritten Satz schon 4:1 und im vierten Satz 3:0. Und doch verlor er am Ende das Match. »Champions find a way«, hat die amerikanische Tennis-Ikone Billie Jean King einmal gesagt. Champions finden immer einen Weg. Zverev muss diesen weiter suchen.
Zverev baut sein Team um
»Ich rücke nicht von meinem Ziel ab, in diesem Jahr ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen«, sagte Zverev hinterher. Das klang nach Trotz, andererseits hat er auch einen Entwicklungsprozess hinter sich: Sein Aufschlag ist im Vergleich zum vergangenen Jahr stabiler geworden, die Grundschläge sind mit die härtesten auf der Herren-Tour, Zverev hat an Muskelmasse zugelegt, die Bewegungsabläufe wirken flüssiger.
Ebenfalls Mitte Januar trennte sich Zverev von TEAM8. Die Federer-Agentur hatte ihn erst 2019 unter Vertrag genommen. Er wolle in unruhigen Zeiten zukünftig fast vollständig auf seine Familie setzen, erklärte er den Schritt. Im vergangenen Herbst hatte Zverevs Ex-Freundin Olga Sharypova schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben. Zverev habe ihren Kopf an die Wand geschlagen, ihr ein Kissen auf das Gesicht gedrückt. Vorwürfe, die Alexander Zverev vehement bestreitet. Zur gleichen Zeit verkündete Brenda Patea, eine weitere Ex-Freundin, dass sie ein Kind von Zverev erwarte. Dem SPIEGEL sagte Zverev damals, das sei »superjung, superfrüh«, aber er freue sich.
In die neue Saison ging Zverev dann mit einem kleinen Team, eine zentrale Rolle nimmt sein großer Bruder ein, Mischa Zverev, der eigentlich selbst Profispieler ist, nun aber vor allem seinen Bruder als Trainer und Manager betreut. Das Gespann tritt betont locker auf, Zverev zerrte seinen zehn Jahre älteren Bruder bei einer der offiziellen Videopressekonferenzen gegen dessen Willen mit aufs Podium. Er brauche diese Lockerheit, um gutes Tennis zu spielen, betonte Zverev in Melbourne immer wieder.
Neben Bruder Mischa gehört auch noch Alexander Zverevs bester Freund Marcelo Melo zum Team, zudem sein Vater Alexander Senior und Physiotherapeut Hugo Gravis. Ein kleiner Kreis, Zverev hat sich eine Wohlfühloase gebaut. Ob das ausreichen wird, sein großes Ziel zu erreichen, den Gewinn eines Grand-Slam-Titels? »Die Deutschen sollen mich besser kennenlernen. Sie sollen für mich mitfiebern und um vier Uhr morgens aufstehen, wenn ich in einem Grand-Slam-Finale stehe«, hat Zverev kurz vor dem Start der Australian Open in einem Videointerview mit dem Deutschen Tennis-Bund gesagt. Wahrscheinlicher ist es wohl andersherum: Erst der Titel, dann die Anerkennung.