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Karl Klammer: Die Geschichte der Büroklammer, die alle hassten

Niemand mag Besserwisser. Das hat wohl selten jemand so deutlich zu spüren bekommen wie die sprechende Büroklammer aus Microsofts Office-Suite. Denn wer in den Neunzigern die Text-Software Word startete, musste nur wenige Male in die Tasten hauen, um Bekanntschaft mit Karl Klammer – ja, so hieß das animierte Büroutensil wirklich – zu machen. “Anscheinend möchten Sie einen Brief schreiben. Brauchen Sie Hilfe?”, fragte die Klammer. Wie nett, dachte man sich – und klickte die Meldung weg. Wo war man stehen geblieben? Achja. Doch kaum hatte man den Satz zu Ende geschrieben, meldete sich die Klammer erneut zu Wort. Und wieder. Und wieder.

Bei jeder Gelegenheit bot die Comic-Büroklammer – im englischsprachigen Original hieß sie übrigens “Clippy” – ihre Hilfe an, ob man sie wollte oder nicht. Doch der niedliche Look konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Assistent eine aufdringliche Nervensäge war. Er zappelte so lange am Bildschirmrand herum, bis man auf ihn reagierte oder ihn zumindest genervt wegklickte. Strafte man ihn mit Nichtachtung, verwandelte er sich gelegentlich in ein Fahrrad. Warum weiß wohl niemand mehr so genau.

Der Ursprung von Karl Klammer …

Erstmals tauchte Karl Klammer Ende der Neunziger auf den Röhrenmonitoren rund um die Welt auf. Es war eine Zeit, als Computer noch nicht in jedem Wohnzimmer selbstverständlich waren und viele Menschen noch nie eine Textverarbeitungs-Software bedient hatten. Die Angst vor dieser neuen, möglicherweise auf den ersten Blick unübersichtlichen Welt wollte Microsoft mit spielerischer Leichtigkeit nehmen. Und was würde freundlicher wirken als eine Büroklammer mit Knubbelaugen, schien man sich in Redmond zu denken.

Doch der gute Karl hatte es übertrieben. Denn er ging einem mit seiner rechthaberischen Art nicht nur schnell auf den Keks, er war auch alles andere als hilfreich. Wer auf die berühmt-berüchtigte Frage, ob man einen Brief schreiben wolle, mit “Ja” antwortete, bekam etwa lediglich ein graues Menü zu sehen, an dessen Ende eine Standard-Briefvorlage wartete. Nützlich war die selten.

Hinzu kam seine passiv-aggressive Aura. Denn in beinahe übertrieben freundlichem Ton wies er einen penetrant auf Offensichtliches hin. So wurde aus dem gut gemeinten Helferlein ein Trauma einer ganzen Generation von PC-Nutzer*innen.

… sein Ende …

Hinter Karl und seinen Freunden (so gab es auch einen Hund, eine gezeichnete Katze und einen Zauberer) steckt übrigens der Informatiker Eric Horvitz, der noch heute bei Microsoft als führender Wissenschaftler (Chief Scientific Officer) tätig ist und die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz vorantreibt. Karl Klammer war gewissermaßen einer der ersten Schritte in diese Richtung. Aus seinem Scheitern dürfte Horvitz einiges gelernt haben. So gab er in der Rückschau zu, damals zu weit gegangen und “fahrlässig mit der Aufmerksamkeit der Nutzer” umgegangen zu sein, zitiert ihn das Technologieportal “Heise”.

Bis 2007 war Karl Klammer Teil der Office-Welt, dann hatte Microsoft Erbarmen. Drei Jahre später bezeichnete das “Time”-Magazin die Büroklammer als eine der schlechtesten Erfindungen aller Zeiten. “Der anmaßende Büroassistent feierte sein Debüt in Microsoft Office 97 als akrobatische virtuelle Büroklammer, die bereit war, bei der Erledigung jeder Aufgabe zu helfen”, schreiben die Autoren in ihrer Begründung. “Das einzige Problem war, dass Clippy Schwierigkeiten hatte, seine Zunge zu halten. Sobald das Wort ‘Liebe’ auf der Seite auftauchte, ging er in den Briefschreibmodus über und war bereit, die intimsten Gedanken einer Person zu strukturieren.”

.. und das stille Comeback

Im vergangenen Jahr erlebte Clippy beziehungsweise Karl Klammer sein von vielen Nutzer*innen unbemerktes Comeback. Für Microsofts Chat-Dienst “Teams”, der im Zuge der Corona-Pandemie einen regelrechten Boom bei vielen Unternehmen erlebte, gibt es ein Stickerpaket mit Karl-Klammer-Motiven. Immerhin bleibt der Gute diesmal stumm.

QUELLE

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