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Meinung: Kolumbiens erkennt die Realität an

Kolumbiens Staatschef Iván Duque hängt der Ruf an, seinem Land zwar vorzustehen, es aber nicht zu regieren. Doch nun hat er – endlich – den Stier bei den Hörnern gepackt und sich der aktuell größten Herausforderung in der Region gestellt: der Präsenz von knapp zwei Millionen Flüchtlingen in Kolumbien, die vor der Grausamkeit und Unmenschlichkeit der Diktatur von Nicolás Maduro im Nachbarland Venezuela geflohen sind.

Kolumbiens Präsident ist endlich in der Realität angekommen, nachdem er im Februar 2019 noch orakelte, dass “Maduros Regime bald stürzen werde”. Lange Zeit hatten seine Bemühungen um einen “diplomatischen Belagerungsring” rund um Venezuela nur dazu geführt, dass die dringende konsularische Betreuung der Flüchtlinge in fast ganz Lateinamerika verhindert wurde. Seine Ankündigung, illegale Flüchtlinge von der Corona-Impfkampagne des Landes ausschließen zu wollen, entbehrt jeder Logik und jedes Mitgefühls.

Ein politischer Befreiungsschlag

Doch die jetzige Ankündigung, per Dekret den Aufenthaltsstatus derjenigen Venezolaner zu legalisieren, die vor dem 31. Januar 2021 ins Land gekommen sind, ist für Duque ein Befreiungsschlag – auch gegen den Widerstand in seiner eigenen Partei: Während Duque in Interviews mit ausländischen Medien von Solidarität mit dem venezolanischen Volk spricht, verwenden wichtige Mitglieder seiner eigenen Partei “Centro Democrático” im Zusammenhang mit den Flüchtlingen lieber den Begriff “Vandalen”.

Duques Schritt geschieht inmitten eines politischen Minenfeldes. Denn abseits der üblichen politischen Machtspiele gibt es in der kolumbianischen Gesellschaft auch weit verbreitete Vorbehalte gegen das finanzielle Engagement des kolumbianischen Staates für die Flüchtlinge – angesichts von Millionen von Kolumbianern, die keine Arbeit haben oder sich ein teures Universitätsstudium nicht leisten können.

Daher braucht die Ankündigung, den Aufenthaltsstatus von geschätzt knapp einer Million venezolanischer Flüchtlinge zu legalisieren, ein begleitendes Programm von Bildungs- und Arbeitsangeboten für Inländer und Ausländer. Dies würde zur besseren Akzeptanz der Flüchtlinge in Kolumbien beitragen und zum besseren Verständnis, dass Kolumbien nicht nur durch internationale Verträge dazu verpflichtet ist, Flüchtlinge aufzunehmen, sondern dass die Migration selbst auch eine Chance für das Land darstellt und einen unschätzbaren Akt der Solidarität bedeutet.

Unterstützung aus Berlin

Klugerweise hat der kolumbianische Präsident sein Projekt in Anwesenheit internationaler Vertreter präsentiert. Er weiß, dass ein Erfolg ohne internationale Hilfe unmöglich sein wird. Der deutsche Botschafter in Kolumbien, Peter Ptassek, bekräftigte die Unterstützung Berlins für diese “historische Verpflichtung”. Sie sei ebenso bedeutsam wie die Erfüllung des Friedensabkommens in dem südamerikanischen Land. Doch obwohl die Ankündigung der kolumbianischen Regierung von den Vereinten Nationen bereits als “globales Vorbild” gepriesen wird, steht sie bisher nur auf dem Papier.

Iván Duque ist nicht die “Angela Merkel Kolumbiens”, wie einige Beobachter bereits in Anspielung auf die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland nach 2015 behaupten. Die Bedingungen sind unterschiedlich. Die Herausforderungen für Duque sind größer, erst recht inmitten der Pandemie, der damit verbundenen tiefen Wirtschaftskrise, des Drucks seitens politischer Extremisten und der zerstörerischen Wirkung der verbreiteten Fremdenfeindlichkeit.

Iván Duque wird sehr viel Hilfe brauchen. Der Schutzstatus für fast eine Million venezolanischer Migranten, wenn auch vorerst auf zehn Jahre begrenzt, ist mehr als ein humanitärer Akt, sie ist eine Notwendigkeit. “Das ist es, was wir erhofft haben”, sagen hoch motivierte junge Venezolaner, die sich aufrichtig freuen, Schulter an Schulter mit den Kolumbianern ein Land aufbauen zu können. Denn Legalisierung bedeutet nicht weniger Rechte für Kolumbianer, sondern mehr Möglichkeiten für alle. Wo auch immer venezolanische Migranten und Flüchtlinge heute angekommen sind: Sie sind gekommen, um zu bleiben.

QUELLE

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